Sport ist sein Leben und Leistung seine Leidenschaft. Nach den Höhepunkten bei den Weltmeisterschaften in Doha (2015) und den Paralympics in Rio de Janeiro (2016) wusste David Behre noch nicht, dass ihm die größte Herausforderung in seiner Karriere erst bevorstand. Dass es ein Übergangsjahr werden könnte – klar, war zu erwarten. Dass ihn die angeschlagene Gesundheit und muskuläre Probleme das ganze Jahr kosten könnten – ein Alptraum, weil der 31 Jahre alte Sprinter seinen Beruf liebt. Seit Ende 2017 steht er wieder auf der Bahn. Und nach intensivem Training in den vergangenen Monaten mit zwei Trainingslagern (Lanzarote, Portugal) macht David Fortschritte. Einen Motivationsschub der ganz besonderen Art bekam der Europarekordler über 400 Meter jetzt in Langenfeld. Dort ging es auch um Bewegung. Die Erzieherinnen aus der Evangelischen Kindertagesstätte „Unterm Regenbogen“ hatten David Behre eingeladen. Er sollte von sich und seinem Leben ohne richtige Beine erzählen. Am Ende des Vormittags waren alle begeistert. David kam aus dem Staunen kaum heraus: „Das hat echt viel Spaß gemacht. Es ist unglaublich, was dich Kinder alles fragen.“
In Runden mit erwachsenen Teilnehmern oder älteren Schülern kennt sich David ja aus, weil er dort immer wieder mal anzutreffen ist. Auch mit Vorträgen vor Führungskräften bei Unternehmen hat der Leistungssportler einige Erfahrungen. Aber Fragen von Fünf- oder Sechsjährigen? „Ich war ganz schön nervös“, berichtet Behre, der sich – anders als sonst – gar nicht richtig vorbereiten konnte. „Wie ist das denn mit den Beinen passiert?“, will Larissa (5) direkt wissen. Also erzählt er die Geschichte vom Unfall 2007, bei dem an einem Bahnübergang die Schranke nicht geschlossen war. Klar: Schnell kommt von Milan (6) die nächste Frage: „Haben die das denn repariert?“ Dann zeigt David, was sich statt der Beine unter seiner Jeans verbirgt: Es ist die Prothese für den Alltag. „Du hast aber schmutzige Füße“, stellt Nele (5) ziemlich unbeeindruckt fest. David antwortet: „Da hast du Recht. Aber ich war eben noch am Strand und bin noch nicht dazu gekommen, sie zu waschen.“ Plötzlich müssen alle lachen.
David erklärt, dass seine Prothesen für ihn nichts Besonderes mehr sind: „Die ziehe ich morgens an und abends wieder aus – so, wie ihr eure Socken an- und auszieht.“ Natürlich hat er seine Rennprothesen dabei und erklärt den Unterschied. Das Größte ist aber die Goldmedaille aus Rio, die er in den Kindergarten mitgebracht hat. Max (6) und Felix (6) bekommen besonders große Augen und alle dürfen die Goldmedaille in die Hand nehmen. David erklärt den Unterschied zwischen Gold, Silber und Bronze: „Die sind unterschiedlich schwer, damit auch die Blinden ihre Medaille erkennen. Bei Bronze sind nur zwei Kugeln drin.“ David Behre ist beeindruckt, wie viel seine kleinen Gastgeber über den Sport schon wissen und was sie sich merken können. Draußen erzählt Feli (6) den anderen Erziehern, was sie über Olympia-Medaillen gehört hat.
Der Vormittag vergeht wie im Fluge, aber David Behre hat genügend Zeit mitgebracht. Jetzt will er sich im Außengelände des Kindergartens noch ansehen, was die Kinder alles können. Rennen, klettern, turnen – da lernt der Sprinter etwas. Plötzlich soll er mal zeigen, ob er was von einem Klimmzug versteht. Theresa (4) hat schon locker oben auf der Stange Platz genommen und richtet ihren Blick auffordernd auf die bevorstehende Übung. David legt los und hört plötzlich etwas: „Du, man sieht ja deinen Bauch.“ Das stimmt. Lana (5) hängt dafür mit den Füßen an der Kletterstange und strahlt: „David, du bist ja falsch rum.“ Und spätestens in Momenten wie diesen spürt der Profi-Sportler, dass Dinge manchmal so einfach sind. Dass er 25 Jahre älter ist und mit anderen Beinen läuft, spielt längst keine Rolle mehr.
David Behre hofft, dass er den Kindern etwas mitgeben konnte davon, dass Bewegung vielfältig ist. Und er hat auch selbst etwas mitgenommen, das ihm in den nächsten Wochen helfen wird. Einmal raus aus dem Trainings-Alltag und rein in die Welt, wie sie Kinder mit ihren Augen sehen: Das gibt neue Kraft. Der Sport bleibt Davids Leben und Leistung seine Leidenschaft. Wenn er demnächst mit Lust in einen Wettkampf startet, hat das auch mit den Jungs und Mädchen aus dem Lilienthalweg in Langenfeld zu tun. Danke an alle „Unterm Regenbogen“! Die Welt ist so bunt wie euer Erkennungszeichen
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